Die Sonne schien warm auf die Haut seiner freien Oberarme und spiegelte sich glänzend auf den noch feuchten Blättern der frisch bewässerten Rosensträucher. Schmetterlinge und Bienen flogen unermüdlich umher und erfüllten seinen Garten, sein kleines Fleckchen Idylle mit geschäftigem Leben. Nun, wo es Juni war, standen die meisten seiner Rosen in voller Blüte. Fritz liebte diesen Anblick: Die kräftigen Rot-, Weiß- und Orangetöne, das sanfte Rosa und das zarte Violett. Überall duftete es süß und frisch.
Mit den Jahren war sein Garten mehr und mehr von einem Hobby zu einer Leidenschaft geworden. Wer hätte gedacht, dass es alles einmal mit einer Rose und einem Lächeln begonnen hatte. Gerne erinnerte Fritz sich an die Zeit zurück, in der Ilse damals gefragt hatte, ob sie mit ihm ausgehen wollte. Er hatte alles richtig machen wollen und war sogar zu einem Floristen gegangen, um ihr Blumen schenken zu können. Dieser hatte ihm eine Rose empfohlen. Obwohl diese teurer gewesen war als einige der kleineren Sträuße, versicherte ihm der Verkäufer, dass eine rote Rose mehr sagen würde als ein ganzer Strauß anderer Blumen.
So kam es, dass er Ilse nach der Schule mit einer Rose in der Hand überraschte. Sie hatte das bezaubernste Lächeln an diesem Tag. So schön, dass er es sich in den Kopf gesetzt hatte, sie mit Rosen zu überschütten. So hatte es damals angefangen. Nun war er fast 26 Jahre mit seiner Ilse verheiratet und vieles hatte sich verändert. Sie waren beide etwas älter und etwas rundlicher geworden und aus seinen Rosengeschenken war irgendwie ein Rosengarten geworden. Doch ihr Lächeln war dasselbe geblieben und allein daran zu denken, erfüllte ihn noch immer mit derselben Wärme wie damals. Er sah zum Haus hinüber, er konnte ihre Bewegungen durch das Fenster ausmachen. In einigen Minuten würde sie herauskommen und ihn fragen, ob sie heute draußen zu Abend essen wollten. Dann würden sie unter dem Pavillon zwischen all den Rosen sitzen und sie würde lächeln und sich zusammen mit ihm an ihnen erfreuen.
Ein Abend wie dieser war nichts Besonderes. Sie aßen häufig hier, doch er freute sich jedes Mal darüber.
Fritz ließ seinen Blick erneut prüfend über den Garten wandern. Es sollte schließlich alles perfekt sein. Dabei bemerkte er eines von den Bälgern aus dem Nachbarhaus, das an seinem Zaun vorbei den Bürgersteig entlang schritt. Einen Moment war er überrascht darüber, wie groß der Junge geworden war. Eigentlich war er schon fast ein Mann. Es war Fritz, als wäre es gestern gewesen, dass er mit den Bengeln geschimpft hatte, sie sollten endlich aufhören, ihre Bälle in seine Rosen zu schießen.
Der Junge hatte dieses Mal keinen Ball bei sich. Er hatte sich anscheinend sogar richtig fein gemacht. Er erkannte auch den Gesichtsausdruck, die Nervosität und die Anspannung darin. Er sah genauso aus, wie Fritz sich damals gefühlt hatte, als er Ilse seine Liebe gestand.
„Hey Junge, warte mal kurz“, rief er zu dem Nachbarskind herüber. Dieses blieb stehen und Fritz konnte an dem Wechsel zu einem genervten Gesichtsausdruck ablesen, dass er eine Form von Nörgelei oder Schelte erwartete. Fritz hatte nicht den besten Ruf unter den Kindern in der Umgebung. Mit einem prüfenden Blick und einem schnellen Schnitt entnahm Fritz die schönste Blüte aus seinem roten Strauch und reichte sie dem Jungen über den Zaun. Es freute ihn fast schelmisch, dass sich dessen genervtes Gesicht in Überraschung und Verwirrung wandelte. „Bei mir haben die Blumen damals geholfen. Viel Erfolg.“ Der Junge war noch immer überrascht, aber er bedankte sich und Fritz schickte ihn weiter auf seinen Weg. Als er sich umdrehte, bemerkte er, dass Ilse zwischenzeitlich herauskommen war und diese kleine Szene gesehen haben musste. Sie stand inmitten seiner Rosen und sie lächelte warm. Es war das bezaubernste Lächeln. Er liebte diesen Anblick.
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